Weltgästeführertag 2025

Am Sonntag, 23. Februar hattest Du wieder die Möglichkeit am jährlich stattfindenden Weltgästeführertag teilzunehmen.

 

2025 stand unter dem Motto «Verborgene Schätze».

 

Wenn Du es verpasst hast, kannst Du hier meinen diesjährigen Beitrag nachzulesen.

 

Nichts mehr verpassen? Dann melde Dich für meinen Newsletter hier an.


Mein Beitrag zum Weltgästeführertag 2025

Unser geschichtliches Erbe – das Dachauer Stadtarchiv

Liebe Gäste,

 

herzlich willkommen zu unserer nächsten Station des heutigen Weltgästeführertages in Dachau. 

 

Den „verborgenen Schatz“ den ich Ihnen hier vorstelle, ist das Dachauer Stadtarchiv – unser geschichtliches Erbe.

 

Stellen Sie sich vor, Sie öffnen eine alte Kommode, verstaubt und unscheinbar, und plötzlich kommen geheimnisvolle, uralte Gegenstände hervor. Und jede hat ihre eigene Geschichte. Genau das ist das Stadtarchiv – eine Schatzkiste voller Erinnerungen! Es ist der Ort, an dem die Geschichte unserer Stadt bewahrt wird, damit sie nicht im „Nebel der Geschichte“ verloren geht.

 

Doch solch kommunale Archive sind mehr als nur ein Ort für verstaubte Dokumente. Sie werden oft als das „lebendige Gedächtnis“ ihrer Gemeinde bezeichnet. Hier wird das Schriftgut der Stadt sortiert und archivwürdiges Material sorgfältig verwahrt.

 

Das heißt, es werden alte Dokumente sortiert, wie man Socken im Schrank sortiert – die Löchrigen, Unbrauchbaren kommen weg, und die guten Stücke behalten wir. Socken sortieren sie vielleicht nach Farben, um das passende Paar zu ihrer Garderobe schneller zu finden. Die zeitgeschichtlichen Dokumente werden nach Art, Themen, und Chronologie sortiert. 

Was wir behalten, reicht von Ratsprotokollen aus dem 17. Jahrhundert, Stadtplänen, Ehrenbürger-Urkunden, Filme über Dachau, über 5.000 Fotografien, Akten der alten Papierfabrik, Geschäftsbücher der Scheierlmühle, Dachauer Lokalzeitungen sowie Nachlässe von ehemaligen Historikern, wie das heimat- und familienkundliche Material zu Stadt und Landkreis des 1998 verstorbenen Dr. Gerhard Hanke, trachtenkundliche Quellen des Brauchtumsexperten Franz Eder, Material zu Schloßkonzerten und Ausstellungen des ehemaligen Kulturreferenten Heinrich Rauffer, Briefe des Künstlerehepaars Carl & Ottilie Thiemann, biographische und geschäftliche Unterlagen von Brauern wie der Dynastie Ziegler, … 

 

Menschen, die etwas hinterlassen haben, dass uns heute noch Einblick darüber gibt, wie es war, als Dachau noch von Grafen und Herzögen beherrscht wurde, aber auch den Magistraten und Inneren Räten, Dachau noch sechs eigenständige Brauereien hatte, und eine der bedeutendsten Künstlerkolonien zur Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhunderts war.

 

Was wäre so eine Reise in die Vergangenheit ohne faszinierende Geschichten? Seit fast 30 Jahren wird hier eine besondere Dauerleihgabe verwahrt.

 

Stellen Sie sich ein prachtvolles, schweres, ledergebundenes Buch vor. Aus dem Jahr 1566, die "Aventinus-Chronik". 

 

Dieses kostbare Werk wurde dem Stadtarchiv von der VR Bank Dachau, durch dessen damaligen Vorstandssprecher Thomas Höbel, am 9. September 1998 überreicht. 

 

Es handelt sich um ein Juwel der Geschichtsschreibung, eine der ersten Darstellungen Bayerns auf Basis historischer Quellen, verfasst von Johannes Aventinus, 1477 in Niederbayern geboren und 1534 in Regensburg verstorben. Er war ein deutscher Historiker, forschte zur bayerischen Geschichte und gilt als ein Wegbereiter der klassischen Philologie in Deutschland.

 

Wissen Sie, dass Aventinus schon im 16. Jahrhundert eine wahre Meisterleistung der Geschichtsforschung vollbrachte?

 

Geführt durch das Werk des bedeutenden Historikers, reisen wir zurück bis zu den Römern! Und es bezieht sich auf viele Quellen, die es heute gar nicht mehr gibt. Unsere Chronik, die 1566 in deutscher Sprache gedruckt wurde, ist eine zusammengefasste Version der vierbändigen "Bairischen Chronik", die Aventinus Anfang des 16. Jhr. (zwischen 1526 und 1533) auf Latein verfasst hatte. 

 

Und was macht sie für uns so wertvoll? Dachau selbst wird in dieser Chronik erwähnt, ganz genau im "siebenden Buch". Dort erfahren wir von der Genealogie der Grafen von Dachau, wie Otto, Conrad und Arnold, die damals bedeutende Persönlichkeiten waren und hier im 12. Jahrhundert ihren Burgplatz von Scheyern nach Dachau verlegten. So heißt es darin "Von den Graffen die seiner zeyt abgestorben". Ein Hinweis auf Konrad den III. der kinderlos verstarb, was dessen Mutter veranlasste die Ländereien Dachau an ein anderes, aufstrebendes Adelsgeschlecht zu verkaufen: die Wittelsbacher.

 

Aber warum ist dieses Buch so wichtig für das Stadtarchiv? Während der Wirren des Dreißigjährigen Krieges, als Dachau von schwedischen Truppen belagert und gebrandschatzt wurde, wurden viele historische Dokumente und damit Zeitzeugnisse zerstört. Daher ist es umso wertvoller, dass diese Chronik erhalten blieb und nun für alle zugänglich ist. Selbst ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe hat das Werk von Aventinus einmal lobend erwähnt!

 

Ein Dank geht an Walter Koch, der diese Chronik von seinem Großvater erbte und der durch die VR Bank sicherstellte, dass dieses Erbe nun mit uns allen geteilt werden kann.

 

 

Ach ja. Erinnern Sie sich noch an den Vergleich mit den Socken? Wenn der richtige Socke an der falschen Stelle liegt, haben sie vielleicht nichts passendes zum anziehen. Doch was passiert, wenn ein historisches Dokument dort landet, wo es eigentlich gar nicht hingehört?

 

Im vergangenen Jahr machte unser Stadtarchivar Andreas Bräunling eine sensationelle Entdeckung, die als absoluter Glücksfall gilt. Bei der Sichtung einer falsch betitelten Akte fand er vier alte Pergamenturkunden, von denen einige aus dem Spätmittelalter stammen. Das älteste dieser Schriftstücke datiert aus dem Jahr 1409 und ist somit das älteste Dokument im Besitz der Stadt. Bis zu diesem Zeitpunkt galt eine Kaufurkunde von 1526 über ein Waldstück als das älteste Dokument.

 

Was macht diese Pergamente so besonders? Stellen Sie sich vor, es handelt sich um Dokumente, die den Dachauer Wochenmarkt betreffen, der Übrigens schon im 13. Jahrhundert existierte! So wurde in Urkunden von 1409 und 1435 durch Herzog Ernst und 1474 durch Herzog Sigmund das Marktrecht für Dachau bestätigt. Oder nehmen wir die Urkunde von 1653, in der Kurfürstin Maria Anna den Wochenmarkt wieder genehmigte, nachdem er durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges aufgegeben worden war.

Warum ist das alles von Bedeutung? Nun, das Marktrecht war seinerzeit ein großes Privileg und ein essenzieller Wirtschaftsfaktor für Dachau. Die Märkte generierten nicht nur Steuereinnahmen, sondern waren auch ein zentraler Treffpunkt für Handel und heute würde man sagen „Netzwerken“.

 

Der eigentliche Zauber dieser Entdeckung entfaltet sich, wenn man bedenkt, dass man glaubte, viele dieser Originaldokumente seien in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verloren gegangen. Dank der Arbeit von Chronisten wie August Kübler und Historikern wie Gerhard Hanke haben wir jetzt eine vollständige Sammlung von Sicherungskopien, den sogenannten Kopialbüchern, die uns einen wertvollen Einblick in die Geschichte unserer Stadt geben.

 

Die spannende Geschichte der neu entdeckten Pergamente zeigt uns, wie lebendig unsere Geschichte sein kann, selbst wenn sie aus alten Dokumenten stammt, die lange vergessen waren. 

 

Besuchen Sie das Stadtarchiv und entdecken Sie selbst, wie viel Vergangenheit in diesen alten Zeilen steckt. Wer weiß, vielleicht finden wir noch weitere Schätze? Aber wie Andreas Bräunling sagt: Sensationen gibt es nicht alle Tage. Für ihn war es ein bisschen wie Weihnachten. 

 

Ach ja. Wer ist eigentlich dieser Andreas Bräunling?

 

Unser Stadtarchivar Andreas Bräunling widmet sich der Geschichte mit Hingabe. Seit 1997 arbeitet er hier und hütet die Geschichte der Stadt. Neben seiner Tätigkeit als Archivar ist er auch Kreisarchivpfleger und sorgt dafür, dass das historische Wissen der Kommune erhalten bleibt. Sein Enthusiasmus für außergewöhnliche Fundstücke - wie etwa die Ehrung von Freiherr von Hohenhausen - zeigt, wie spannend Archivarbeit sein kann. Dies ist kein Beruf für langweilige Regalliebhaber, sondern für Menschen mit Spaß am Entdecken!

 

Abschließend möchte ich Sie noch auf die Möglichkeit hinweisen, dass Dachauer Stadtarchiv selbst zu erkunden. Egal, ob Sie nach Ihren eigenen Wurzeln forschen oder einfach in der faszinierenden Geschichte unserer Stadt schwelgen möchten, das Archiv bietet unzählige Schätze, die darauf warten, entdeckt zu werden.

 

 

Es gibt allerdings noch ein zweites, wichtiges Archiv in Dachau.

 

Mit der Errichtung der KZ-Gedenkstätte im Jahre 1965 wurden auch ein Archiv sowie eine Bibliothek gegründet. Der größte Teil der Schriftdokumente besteht aus Kopien, die meisten Fotos sind Reproduktionen. Alle Dokumente werden unter klimatisch optimalen Bedingungen aufbewahrt. Das Archiv selbst ist in den Verwaltungsräumen der KZ-Gedenkstätte untergebracht.

Das Archiv sammelt Unterlagen bezüglich des Konzentrationslagers Dachau und seiner Außenlager. Es schließt auch die Vor- und vor allem die Nachgeschichte des Konzentrationslagers mit ein ebenso wie die Geschichte der Gedenkstätte. Das Archiv erteilt Auskünfte über Personen, die im KZ Dachau inhaftiert oder im SS-Bereich tätig waren sowie auch sachbezogene Auskünfte.

Ein großer Teil des Schriftguts und des Fotobestandes wurde digitalisiert. Die Dokumente sind im Lesesaal in einer Archivdatenbank recherchierbar. Einen Überblick über die Bestandsverwaltung ermöglicht das Findbuch.

Das Archiv umfasst die Sammlungsbereiche, wie Nachlässe, Erinnerungsberichte, Biografien, Prozessunterlagen; Fotos, Karten und Pläne und Zeitungsausschnitte.

Die Namen und Haftdaten der Häftlinge des KZ Dachau wurden in verschiedenen Dokumenten aufgezeichnet und sind zum Teil erhalten geblieben. Ein digitales Häftlingsregister enthält die Haftdaten von mehr als 90 Prozent der über 200.000 Gefangenen. Die im Schutzhaftlager geführten Gefangenenakten wurden jedoch noch von der SS kurz vor der Befreiung zerstört. Auch die erkennungsdienstlichen Fotos sind nicht erhalten geblieben. Dort werden auch Recherchen nach den auf dem Schießplatz Hebertshausen ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen durchgeführt.

Die Mitarbeiter des Archivs beantworten Ihre Anfragen zu allen Themenbereichen des Konzentrationslagers Dachau und der KZ-Gedenkstätte. Sie können auch Anfragen nach weiteren Themen vornehmen, wie etwa die Lager-SS, das Internierungslager Dachau (1945-1948) oder das Flüchtlingslager Dachau-Ost (1948-1965) auf dem Gelände des ehemaligen Häftlingslagers bestand.

 

Was bringt es uns, dass all diese Dinge für die Nachwelt aufgehoben werden?

 

Geschichte wiederholt sich nicht. Doch Menschen, die nichts über ihre Geschichte wissen und daraus lernen, begehen immer wieder die gleichen Fehler.

Wir stehen hier heute am Max Mannheimer Platz. Der Mensch dem dieser Platz gewidmet wurde, war ein ehemaliger Häftling des KZ Dachau. Seit den 1980er Jahren bis zu seinem Tod 2016 war er ein unermüdlicher Zeitzeuge, der in Gesprächen und Rundgängen seinen Zuhörer*innen von seiner Leidensgeschichte erzählte. Oft zitiert, doch zeitlos relevant „Es ist nicht eure Schuld was damals passiert ist, es ist eure Verantwortung das es nicht wieder passiert“. Wir haben den Überlebenden vor 80 Jahren versprochen: „Nie wieder!“ Max‘ Sohn Ernst Mannheimer hat bei einer Veranstaltung im NS Dokuzentrum in München einmal erzählt, es wäre für seinen Vater unerträglich gewesen, wenn im Deutschen Bundestag wieder Faschisten sitzen würden. Max Mannheimer starb 2016. 2017 zog die – und ich möchte politisch korrekt bleiben: die in Teilen als gesichert rechtsextremistische AfD in den Deutschen Bundestag ein und könnte lt. Umfragen ab heute Abend zukünftig die zweitstärkste Fraktion stellen.

 

Ich hoffe sie verstehen, dass auch wir, heute wie wir auf diesem Platz stehen, ein Teil der Geschichte sind. Und auch von unserem handeln abhängt, wie man in 80 Jahren auf diese Zeit schauen wird.

Ich hoffe, Sie haben heute einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie spannend, aber auch wichtig Geschichte sein kann. 

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch viel Spaß beim weiteren Erkunden unserer verborgenen Schätze hier in Dachau! 

 

Es gibt jetzt eine kleine Pause zur Stärkung. Stärken sie sich vielleicht in einer der vielfältigen Gastronomien in Dachau. Wenn sie es noch nicht gemacht haben. Dann schauen sie noch im Wahllokal vorbei. Damit stärken sie ganz nebenbei unsere Demokratie.

 

Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.